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Stellungnahme von Peter Simon zur CETA-Abstimmung

Veröffentlicht am 07.03.2017 in Europa

Peter Simon

Peter Simon (Mitglied des Europaparlaments) erläutert im Folgenden ausführlich seine Abstimmung zum CETA-Beschluss im Europäischen Parlament:

"In meinem politischen Leben habe ich mich fast nie enthalten, da es mir wichtig ist, klare Positionen zu beziehen und konkrete Verantwortung zu übernehmen. Ich habe aber auch gelernt, dass keine endgültige Entscheidung getroffen werden kann, wenn ein Sachverhalt noch nicht entscheidungsreif ist. Und genau in dieser Situation haben wir uns aus meiner Sicht heute bei der Abstimmung über CETA befunden. Im Folgenden möchte ich Euch daher die Beweggründe meiner heutigen Enthaltung im Einzelnen erläutern:

Unbestritten ist es uns Sozialdemokraten unter der Federführung meines niedersächsischen Kollegen und Vorsitzenden des EP-Handelssausschusses Bernd Lange gelungen, wichtige Verbesserungen in CETA durchzusetzen. So wurde beispielsweise privaten Schiedsgerichten eine klare Absage erteilt. Auf unsere sozialdemokratische Initiative hin wurde der bereits ausverhandelte Vertragstext an dieser Stelle noch einmal grundlegend verändert und der Nukleus für einen öffentlich-rechtlichen internationalen Handelsgerichtshof geschaffen. Damit haben wir einen neuen Standard für einen modernen internationalen Investitionsschutz nach rechtstaatlichen Grundsätzen gesetzt. Diese Regelung in CETA ist Mindeststandard für zukünftige Abkommen.

Wir sind heute weit von der ursprünglichen Version des Handelsabkommens entfernt, unsere roten Linien sind weitgehend eingehalten. An den noch offenen Punkten wird weiter gearbeitet. Aber gerade weil hieran noch weiter gearbeitet wird, war es aus meiner Sicht verfrüht, das Abkommen zum jetzigen Zeitpunkt im Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung zu stellen. Nichts stand entgegen, die Ergebnisse der derzeit stattfindenden Verhandlungen abzuwarten, bevor eine abschließende Entscheidung im Europäischen Parlament getroffen wurde. Daher habe ich auch mit Nachdruck in unserer sozialdemokratischen Fraktion eine Verschiebung der Abstimmung eingefordert. Dies wurde nicht aufgegriffen.

Beim SPD-Parteikonvent im September 2016 haben wir formuliert, dass nun die „Stunde der Parlamente“ schlägt. Im Zuge dessen wurden klare Erwartungen an den parlamentarischen Beratungs-, Prüfungs- und Ratifizierungsprozess formuliert. Für mich waren und sind die roten Linien der Parteikonvents- und Parteitagsbeschlüsse, die die SPD im Hinblick auf CETA gefasst hat, Richtschnur, so auch heute in unserer finalen Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments.

Folgende Punkte sind demnach weiterhin offen:

1. Investitionsschutz

Beim Parteikonvent von 2016 haben wir hinsichtlich eines öffentlich-rechtlichen Investitionsgerichtshofs beschlossen, dass „im weiteren parlamentarischen Verfahren zu prüfen sein [wird], inwieweit [...] die Unabhängigkeit der richterlichen Entscheidung ausreichend gewährleistet ist“ und „nötigenfalls Klarstellungen vor der Ratifizierung“ herbeizuführen sind. Die EU, ihre Mitgliedstaaten und Kanada haben diesbezüglich vereinbart, an einem zusätzlichen Verhaltenskodex zu arbeiten, der die Unparteilichkeit der Mitglieder der Gerichte sicherstellen soll und die Art und Höhe ihrer Vergütung sowie das Verfahren für ihre Auswahl regelt. Dieser Verhaltenskodex ist jedoch noch in Arbeit, weshalb zum Zeitpunkt der heutigen Entscheidung im Parlament niemand darüber befinden kann, ob er die oben genannten Anforderungen an die Überparteilichkeit der Richter erfüllen wird oder nicht.

2. Arbeitnehmerschutz

Der SPD Parteikonventsbeschluss vom September letzten Jahres bekräftigt im Hinblick auf CETA, dass in jedem Fall sicherzustellen ist, dass die 8 Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation von Kanada ratifiziert werden. Kanada hat 7 Kernarbeitsnormen ratifiziert und hat das Verfahren zur Ratifizierung des verbleibenden Übereinkommens (Übereinkommen über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen, 1949 (Nr. 98)) eingeleitet. Es spricht einiges dafür, dass Kanada diese Ratifizierung erfolgreich bis zum Ende des zweiten Quartals 2017 abschließen wird. Sicher ist dies aber nicht. Eine Verschiebung der Abstimmung bis zu diesem Zeitpunkt wäre sinnvoll und möglich gewesen.

Weiterhin haben wir auf dem Parteikonvent als rote Linie „die Erwartung formuliert, dass die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards in Konfliktfällen genauso wirksam sichergestellt sein muss, wie die Einhaltung anderer Regeln des Abkommens“. CETA sieht zur Durchsetzung dieser Standards aber derzeit lediglich ein dialogorientiertes Verfahren ohne Sanktionsmöglichkeiten vor. Vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments wurde entsprechend ein Missverhältnis zwischen dem für Investoren  vorgesehen Schutzniveau (privilegierter Zugang zum Investitionsschutzgericht) und dem der Arbeitnehmerinteressen festgestellt. Auch die Europäische Kommission hat Schwächen des bisherigen Modells eingestanden und nachdem das Europäische Parlament einen konkreten Ansatz eingefordert hatte, Konsultationen über einen Sanktionsmechanismus gestartet - bislang gibt es hier jedoch noch kein Resultat, erst im Juli soll ein Vorschlag vorliegen.  Wie dieser letztlich aussehen wird und ob er unsere roten Linien respektiert, kann derzeit niemand abschätzen.

3. Umfassender Schutz der Daseinsvorsorge

Nicht zuletzt als Vizepräsident der fraktionsübergreifenden Intergroup "Öffentliche Dienstleistungen" im Europäischen Parlament habe ich mich stets dafür eingesetzt, dass hinsichtlich eines hohen Schutzniveaus für grundlegende öffentliche Dienstleistungen, wie z.B. Wasser, Gesundheit und Bildung, kein Verhandlungsspielraum besteht. So habe ich beispielsweise bereits vor 2 Jahren einen Änderungsantrag für die Resolution des Europäischen Parlaments zu TTIP gestellt, um den Marktzugang für Dienstleistungen in Freihandelsabkommen im Sinne eines „Positivlisten-Ansatzes“ zu verbessern. Dienstleistungen, die für ausländische Unternehmen zugänglich gemacht werden sollen, müssten dann ausdrücklich im Vertragstext erwähnt und neue Dienstleistungen ausgeschlossen werden. Auch die SPD hat bereits im Parteikonventsbeschluss 2014 formuliert, „dass ein Positivkatalog besser ist und mehr Vertrauen schafft, als der bisherige Ansatz der Negativlisten“. Leider konnten wir uns diesbezüglich nicht durchsetzen. In CETA ist - zum ersten Mal überhaupt in einem Freihandelsabkommen der EU - für den Marktzugang eine Negativ-Liste vorgesehen. Das heißt: Alle Dienstleistungen, die nicht explizit ausgenommen werden, sind damit vom Abkommen erfasst. Der SPD-Parteikonvent im letzten Jahr vertrat daher dazu die Auffassung, dass im weiteren Verfahren genau geprüft werden muss, „ob die vorgesehenen Schutzvorbehalte tatsächlich alle Bereiche der Daseinsvorsorge ausreichend und umfassend sichern oder ggf. Ergänzungen nötig sind. Dienstleistungen im Allgemeinen und allgemeinen wirtschaftlichen Interesse (Daseinsvorsorge) müssen hieb und stichfest gesichert sein“.

Die EU, ihre Mitgliedsstaaten und Kanada haben in einem gemeinsamen Beschluss zur Auslegung von CETA bekräftigt, dass sie das Recht der Regierungen auf allen Ebenen (= in Deutschland: Bund, Länder und Kommunen) anerkennen, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen oder ihre Erbringung zu unterstützen. Im CETA-Vertragstext gilt für die Daseinsvorsorge zudem eine allgemeine Schutzregel (sogenannter „public utilities“ Vorbehalt) sowie verschiedene spezielle Schutzregelungen, beispielsweise für Bildung, Wasserversorgung oder Gesundheit. Diese finden sich im Annex II des CETA Vertragstextes, für den keine sogenannten „Sperrklinken“ oder „Stillhalteklauseln“ gelten, weshalb auch Rekommunalisierungen weiterhin möglich sind. Als möglicherweise problematisch wurde jedoch erkannt, dass hierin Ausnahmen nur exemplarisch aufgezählt werden. So ist beispielsweise in der speziellen Schutzregelung zur Wasserversorgung die Wasserentsorgung nicht gesondert erwähnt, weshalb es die deutsche Bundesregierung auch für geboten erachtete, die Abwasserentsorgung in die Ausnahmen explizit aufzunehmen. Solche nationalen Vorbehalte gelten jedoch nur in dem entsprechenden Land (d.h. hier: nur in Deutschland) und nicht für alle europäischen Mitgliedsstaaten. Auch hier gilt es nachzubessern.

Viele Grüße aus Straßburg

Peter Simon
Mitglied des Europäischen Parlaments"

 

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